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Paradigmenwechsel in der Bau- und Immobilienwirtschaft

Die re!source Stiftung e.V. ist zusammen mit ihrer Vorgängerin, der Initiative Ressourcenschonende Bauwirtschaft, vor fünf Jahren mit einem bedeutenden Ziel angetreten: Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Bau- und Immobilienwirtschaft erreichen und dies durch kontinuierliche Kommunikation aus einem Netzwerk von Expertinnen und Experten unterstützen und fördern. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vom 24.11.2021 macht deutlich, dass dieses Vorhaben nun ernsthaft und mit aller Konsequenz angegangen werden soll. Wesentliche Elemente des neuen Paradigmas sind der nun erstmals erklärte politische Wille der Koalition, „die Kreislaufwirtschaft als effektiven Klima- und Ressourcenschutz, [als] Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze“ zu begreifen (S. 42 f.). Der Bedeutung der Bau- und Immobilienwirtschaft trägt die Schaffung eines eigenen Bauministeriums erstmals Rechnung. Ziel der Koalition ist „der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen.“ (88) Die neuen Koalitionäre setzen auch auf das Thema Sustainable Finance und „wollen Deutschland zum führenden Standort nachhaltiger Finanzierung machen und [sich] dabei am Leitbild der Finanzstabilität orientieren.“ Denn „Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken sind Finanzrisiken“ so die neue Regierung (170). Sie will auch beim Produktdesign den europäischen Fortschritt aufgreifen und „Nachhaltigkeit by design zum Standard bei Produkten“ machen (112). Was diese vier Punkte weiter bedeuten, sei nachfolgend näher beleuchtet:

Kreislaufwirtschaft
Die Regierung hat „das Ziel der Senkung des primären Rohstoffverbrauchs und geschlossener Stoffkreisläufe“. In einer „Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“ will sie den bestehenden Rechtsrahmen anpassen, „klare Ziele“ definieren und bestehende abfallrechtliche Vorgaben überprüfen. Sie will die Abfallvermeidung stärken „durch gesetzliche Ziele und ökologisch vorteilhafte Mehrweg-, Rücknahme- und Pfandsysteme sowie Branchenvereinbarungen.“ Über ein neues Fondsmodell will sie „ressourcenschonendes und recyclingfreundliches Verpackungsdesign sowie den Rezyklateinsatz“ fördern. Sie plant, ein „Recycling-Label“ einzuführen sowie „Qualitätsstandards für Rezyklate“ und damit „hochwertige Stoffkreisläufe“ zu schaffen. Sie möchte „höhere Recyclingquoten und eine produktspezifische Mindestquote für den Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen auf europäischer Ebene“ festschreiben. Außerdem strebt sie ein „europaweites Ende der Deponierung von Siedlungsabfällen“ an.

Bau- und Immobilienwirtschaft
Zum geplanten Bau von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr merkt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) an, dass im Förderprogramm für den Wohnungsneubau wirklich vorrangig auf technologieoffene CO2-Einsparung gesetzt und die Förderstandards für Bestandsgebäude in Bezug auf die Gebäudehülle nicht angehoben werden. Die Koalition möchte zudem „durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung die Kosten für den Wohnungsbau senken [sowie] modulares und serielles Bauen und Sanieren durch Typengenehmigungen beschleunigen“. (89). Außerdem soll die Bau- und Immobilienwirtschaft bei der Digitalisierung durch „Open-BIM und einheitliche Schnittstellen/Standards“ unterstützt werden. Zudem wollen die Koalitionäre „die lineare Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent“ anheben. (90) „Passgenaue und technologieoffene Maßnahmen [sollen zur] Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit erneuerbarer Energie am Gebäude und Quartierslösungen [kommen].“ (90)

Nachhaltige Finanzierung
Die neue Regierung will Deutschland nicht nur zum führenden Standort für Sustainable Finance ausbauen, sondern sich auch für „europäische Mindestanforderungen im Markt für ESG-Ratings und die verbindliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Kreditratings der großen Ratingagenturen“ einsetzen (170). Hierzu bemerkt der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), dass Sustainable Finance auf der Basis des Sustainable Finance Action Plan von 2018 nicht nur eine Aufgabe der EU, sondern ein Projekt mit internationaler Reichweite sei. Er fordert „europäische Harmonisierung und die Vermeidung nationalen Goldplatings […] im engen Dialog mit der Wirtschaft“ (19).

Nachhaltigkeit by Design
Die Lebensdauer und die Reparierbarkeit von Produkten sollen „zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft (Recht auf Reparatur)“ werden. Damit soll auch der Zugang zu Ersatzteilen und zu Reparaturanleitungen sichergestellt werden. Außerdem sollen „Herstellerinnen und Hersteller während der üblichen Nutzungszeit Updates bereitstellen [müssen]“ (112). Führende Wirtschaftsverbände unterstützen dieses Vorhaben, mahnen jedoch eine enge und produktbezogene Abstimmung mit den Herstellern an. Zudem sollten innerhalb der EU alle Regeln einheitlich gelten und Importe von außerhalb der EU nur nach europäischen Normen auf den Markt gelangen. Das ist bedeutend, denn eine andere Vorgehensweise würde Nachhaltigkeit und lange Lebensdauer von Produkten konterkarieren.