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Annabelle von Reutern, Concular GmbH, im Gespräch mit re!source

Die Concular GmbH ist neu im Kreise der Mitglieder der re!source. Unsere Redaktion sprach mit Annabelle von Reutern, Architektin und Head of Business Development:

Frau von Reutern, Concular unterstützt den Wandel von der Energieeffizienz zur Ressourcenschonung. Welchen Beitrag kann das Unternehmen hier leisten?

An erster Stelle leisten wir einen visionären Beitrag, indem wir das zirkuläre Bauen in die Bau- und Immobilienbranchen tragen. Alles was gebaut wird, kann als urbane Mine genutzt werden. Dafür fungiert Concular zugleich als Plattform und als Ökosystem.

Ist Concular eine reine Online-Plattform oder auch Lösungsanbieter für die Bauwirtschaft?

Die Digitalisierung ist ein entscheidender Baustein, um das zirkuläre Bauen voranzutreiben. Sie verbindet die unterschiedlichen Parteien in der Wertschöpfungskette und ermöglicht eine effiziente, nachhaltige Zusammenarbeit. Concular arbeitet daher sowohl mit Bauherren und Bauherrinnen sowie Projektentwickelnden als auch mit Architekturbüros, Bau- und Rückbauunternehmen, Schadstoffgutachtern und Herstellenden, um gemeinsam digitale Tools für Ressourceneffizienz zu entwickeln. Konkret unterstützt Concular vom ersten Entwurf über die Betriebsphase bis zum Umbau oder Rückbau dabei, Emissionen, Abfall und Ressourcen einzusparen, Recycling und Rücknahmesysteme zu etablieren und messbare Einsparungen zu erzeugen.

Gibt es Objekte, die für Concular besonders interessant sind?

Jedes Gebäude ist interessant. Es muss jedes neue oder umgebaute Gebäude digitalisiert werden – und dafür kann Concular genutzt werden. Für den Bestand bietet Concular ein digitales Assessment Tool, das von Ingenieurbüros zur Katalogisierung des Gebäudes genutzt wird. Bei der Planung mit BIM muss lediglich eine IFC Datei hochgeladen werden. Besonders erfolgreich ist Concular bei der Vermittlung des Innenausbaus, weil diese Produkte häufig einfach ausbaubar sind. Da geht es u.a. um Boden, Decke, Wand, Sanitär, Küchen und Leuchten. Die Produkte sind in der Regel noch nicht so alt und gut wiederverwendbar, auch weil der Innenausbau häufiger ausgetauscht wird. Inzwischen verwerten wir auch eine Vielzahl konstruktiver und massiver Elemente wie Kalksandstein, Ziegel- und Pflastersteine, Fassaden- und Fenstermodule sowie Stahlträger. Auch das Thema RC-Beton ist nicht zu verachten. Unser Ziel ist es, in naher Zukunft das gesamte Gebäude als urbane Mine zu nutzen. Hierzu suchen wir den Austausch mit Produzenten und Recyclern, um geeignete Prozesse zur Rückgewinnung und Qualitätssicherung zu entwickeln.

Wie schätzen Sie die quantitative Bedeutung weiterverwendeter Bauteile für die Materialkreisläufe der Bauwirtschaft ein?

Bisher gehen 50-60 Prozent des Abfallaufkommens auf die Baubranche zurück, aber nur ein Prozent des Abfalls wird tatsächlich wiederverwendet. Dabei reden wir nicht von Downcycling. Diese Zahlen sind beachtlich und zugleich beängstigend, mit einem großen Potenzial für Verbesserung. Wir könnten den Abfall deutlich reduzieren, wenn wir erstens Abrisse kritischer hinterfragen und zweitens alles, was dann wirklich abgerissen wird, zurück in den Kreislauf bringen. Hier spielen uns Materialknappheit und Lieferengpässe ebenso in die Karten wie die EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzierung. Hinzu kommen politische Selbstverpflichtungen für mehr Wiederverwendung und Recycling, wie sie etwa im letzten Koalitionsvertrag für mehr Kreislaufwirtschaft mit dem Ziel höherer Recyclingquoten und dem Einsatz von mehr Rezyklaten festgelegt wurden. Von echten Fortschritten sind wir zwar noch weit entfernt, aber die Richtung stimmt schon mal. Jeder Baustoff, den wir substituieren, spart massiv CO2-Emissionen ein. Und jedes Produkt, das nicht neu produziert werden muss, ist ein gutes Produkt.

Wo sehen Sie heute in der Bauwirtschaft noch die größten Widerstände?

Widerstände liegen heute vor allem in der Regulatorik und damit in der Politik. In der Summe ist hier ein neues Mindset nötig, ein Sinneswandel in der Gesellschaft. Die Wegwerf-Mentalität muss ein Ende haben. Leider ist die Angst, den gewohnten Pfad zu verlassen, teilweise noch größer als die Angst vor den Folgen der bestehenden Systeme und Strukturen.